Der Hoffnungsträger aus Díli

Am 20. Mai 2002 wird Osttimor unabhängig. Der Staat gilt als einer der ärmsten der Welt. Doch Osttimor kann auf einen Hoffnungsträger bauen.

Zwischen Armut und Autonomie

In Osttimor besteht seit der Gründung ein Sicherheitsproblem. Lange war Osttimor eine portugiesische Kolonie, wurde ab 1975 von Indonesien besetzt. Doch selbst ab der Unabhängigkeit im Jahre 2002 tummelten sich pro-indonesische Milizionäre im Grenzgebiet auf. Friedenstruppen der UNO waren zusätzlich stationiert. Die Milizen mögen ein Trauma auf das Land ausgelöst haben, sind sie doch für die Zerstörung der Infrastruktur im Jahre 1999 in Osttimor verantwortlich.1

Erster Präsident Osttimors wurde Kay Rala Xanana Gusmao – einem früheren Anführer der osttimoresischen Guerillabewegung. Er kämpfte für die Freiheit und für Osttimor – und wurde von den Indonesiern sieben Jahre lang in ein Hochsicherheitsgefängnis gesteckt. Für den Freiheitskämpfer muss am Tage der Staatsgründung Osttimors ein großer Traum in Erfüllung gegangen sein.1

Doch die neue Regierung enttäuscht. Im Dezember 2002 eskalierten Studentenproteste. Die Studenten kritisierten die herrschende Partei FRETILIN. Laut ihnen würde die Regierung zu wenig gegen pro-indonesische Milizen vorgehen. Auch die Lebensbedingungen sind nicht unbedingt gut, viele leben in Armut. Zudem existieren Sprachprobleme im Land. In Kabinettssitzungen wird Portugiesisch gesprochen, in der Hauptstadt die Verkehrssprache Tetum und in den Dörfern kommuniziert in der jeweiligen Stammessprache.1

Es ist nachzuvollziehen, daß große Unzufriedenheit im noch jungen Staat herrscht. Oder wie würdest Du, Genoße, dich fühlen, wenn dein Kind Malaria hat, dein Dorf jedoch über keinen Telefonanschluß verfügt? So kannst du keine medizinische Hilfe holen. Du bist gezwungen, mit deinem Kind kilometerweit auf kaputten Straßen zu laufen, um ein Krankenhaus zu erreichen. Das Krankenhaus hat aber heute geschlossen – und die einzige Krankenschwester ist gerade in der Kirche. Ein Verschulden der schlechten Infrastruktur.1

Osttimor ist ein Staat in Südostasien. Das Land teilt sich die Insel Timor mit Westtimor, das zu Indonesien gehört.

Der Retter aus höchster Not

Im Jahre 2007, dem fünften Geburtstag Osttimors, konnte man nur eine schlechte Bilanz ziehen. Viele sind unzufrieden mit der Politik – sie würde nicht in die Gänge kommen. Im gleichen Jahr fanden Präsidentschaftswahlen statt. Der Präsidentschaftskandidat José Ramos-Horta, einem Friedensnobelpreisträger, gilt als der Hoffnungsträger in Osttimor. Vor allem, da er versteht, welche Probleme im Land herrschen. Die Kirche trägt ebenfalls große Verantwortung, hat sie doch während der indonesischen Besatzung den Widerstand unterstützt. Einen derartigen Kirchenbeistand hätte man sich in Deutschland unter dem NS-Regime nur wünschen können.2

José Ramos-Horta war Mitbegründer der Befreiungsorganisation FRETILIN und Sprecher des osttimorischen Widerstandes im Exil.3 In den 1970er wurde er von der portugiesischen Kolonialmacht ins Exil verbannt, da er gegen die Diktatur protestiert hatte. Ganz wie der Vater, könnte man meinen: dieser wurde als portugiesischer Unteroffizier nach Portugiesisch-Osttimor verbannt.4

Generell mußte José Ramos-Horta viel durchmachen. Seine Schwester starb bei einem Luftangriff, ein Bruder bei einem Polizeiverhör, ein anderer verschwand spurlos. 1996 übergab man Ramos-Horta den Friedensnobelpreis, vor allem, da er sich gegen die Besatzung Indonesiens in seiner Heimat einsetzte. 2006 machte ihn sein Land zum Premier, von 2007 bis 2012 war er Präsident und wurde 2022 wiedergewählt.4

Im Jahr 2008 schoßen Rebellen auf ihn, als er auf dem Rückweg seiner Residenz war. Eine Kugel traf seine Lunge, er wurde schwer verletzt.4

Ein Stück Ramos-Horta für die Welt

Zwei Monate nach dem Attentat im Jahr 2008 befand sich Ramos-Horta wieder im Dienst. Einer seiner Wahlversprechen war es, stets den Dialog zu suchen.4 Zugleich kritisiert er öffentlich die Korruption im Lande.

Welchem Politiker gönnt man die Wiederwahl mehr als José Ramos-Horta? Einem Rebell gegen jegliche Diktatur, einem Befürwörter für die Gerechtigkeit. Einem Politiker, der Gutes im Herzen trägt. Einem Menschen, der viel durchgemacht und erlebt hat. Vor allem ist er ein Patron für eines der ärmsten Länder Asiens, verkörpert er doch Väterlichkeit und Sachverstand in einem.

Viel zu nüchtern war das Treffen zwischen Olaf Scholz und Ramos-Horta im Juni 2023 in Berlin. Wenn einer der größten Menschen unserer Zeit in Deutschland gastiert, kann man sich ruhig mehr Gehör für diesen nehmen. Schließlich haben wir Sozialdemokraten von dem großen Meister noch viel zu lernen.

Quellen

1Vgl. Michaela Koller (Deutschlandfunk): Aufbruch in eine ungewisse Zukunft (Stand: 21.05.2003). In: https://www.deutschlandfunk.de/aufbruch-in-eine-ungewisse-zukunft-102.html [Zugriff vom 09.03.2024]

2Vgl. Jochen Faget (Deutschlandfunk): Ost-Timor auf der Suche nach sich selbst (Stand: 07.04.2007). In: https://www.deutschlandfunk.de/ost-timor-auf-der-suche-nach-sich-selbst-100.html [Zugriff vom 09.03.2024]

3Vgl. Jochen Faget (Deutschlandfunk): Im Teufelskreis von Armut und Gewalt (Stand: 07.04.2007). In: https://www.deutschlandfunk.de/im-teufelskreis-von-armut-und-gewalt-100.html [Zugriff vom 09.03.2024]

4Vgl. David Pfeifer (Süddeutsche Zeitung): Profil: José Ramos-Horta (Stand: 21.04.2022). In: https:// [Zugriff vom 22.03.2024]