„Auch verwirrt es uns in den Städten mit der Zeit, immer nur Gebrauchsgegenstände zu sehen“, schrieb Bertolt Brecht einmal. So zog es mich in Richtung der ländlichen Pfalz. Von der Region hatte ich zwar kein genaues Bild, in Gedanken kam mir dabei nur Helmut Kohl mit einem Teller Saumagen in den Sinn. Doch dafür kann die Pfalz ja nichts.
Das Weingut als Tor zur Pfalz
Mit dem Auto begegnete mir flaches Hand, vielerlei Weiler und Weinreben, die bis zum Horizont reichten. Das Ziel meiner Reise? Ein Weingut in der Südpfalz. Doch die Kellerei ist nicht irgendeine ihrer Art. Es ist ein Lebenswerk, daß sich Robert Boudier und Elmar Koeller aufgebaut haben. Daß die beiden am Ende meiner Reise zu einer meiner größten Vorbilder werden, werde ich erst in den nächsten Tagen merken.
Ich habe das Paar kennengelernt, als ich im Mai 2022 die Landesschau guckte. Der SWR berichtete über „QueerWein“, einer Initiative der Landesregierung von Rheinland-Pfalz, um Queerneß in der Weinbranche sichtbar zu machen. Robert sagte in dem Bericht, dass ihre Söhne oder Töchter keine Monster wären, nur weil sie schwul oder lesbisch seien. Der Satz holte mich ab. Im August 2022 bewegte ich mich zu meinem Coming-out.

Die Hofanlage war früher dem Kloster Arnstein angesiedelt. Hier läßt sich ein gemütlicher Sommerabend am besten ausklingen. An der Steinwand weht eine identitätsstiftende Regenbogenflagge.
Ein innerer Mauerfall
Mein persönliches Coming-out war für mich ein innerer Mauerfall. Ich mußte mich nicht mehr verstecken. Die schwulen Gedanken waren keinerlei Geheimnis mehr. Doch, das soll es jetzt gewesen sein?
Nein, dachte ich mir – und beschloß, im Weingut Boudier&Koeller ein Praktikum zu machen. So kam es, dass ich im August 2023, also einem Jahr nach meinem Coming-out, den Pfarrhof im pfälzischen Stetten betrat. Dort ist das Weingut nämlich ansäßig.
Begrüßt wurde ich direkt von Elmar. Er transportierte mir ein Gefühl von Heimat und Aufgehobenheit. Trotz, daß ich zunächst als Fremder kam, wurde ich als Vertrauter empfangen.
Eine lehrreiche Zeit
Das Gefühl der Vetrautheit wuchs in meinem Herzen. Mit dem Restaurantchef* verstand ich mich mehr als sehr gut. Die Köchin* hatte einen sympathischen Umgang mit mir und dem Auszubildenden* bin ich aufgrund seiner Empathie unglaublich dankbar. Nicht zu vergeßen ist die Hausdame* des Weingutes, der wunderbaren Seele des Ortes. Der Bruder von Robert* arbeitete nahezu täglich im Containerhof. Leider ist er letztes Jahr von uns gegangen, doch in meinem Herzen bleibt er auf ewig.
Zu keiner Zeit fühlte ich mich ausgestoßen. Es wurde immer auf meine Stärken geschaut. Mit Stolz kann ich sagen, daß ich ein Teil von Boudier&Koeller bin.

Das alte Klostergut ist bereichert mit zahlreichen schönen Gemälden. Da läßt man gerne einmal einen Blick daran hängen. Sie wurden allesamt von Robert Boudier angefertigt.
Ein Ort mit großer Geschichte
Das Weingut um Boudier&Koeller hat eine lange Geschichte. Unter anderem hat Mathilde von Tuszien in Stetten eine tragende Rolle. Um diese zu erleben, empfiehlt es sich, doch mal einen Abstecher in die Südpfalz zu machen.
An diesem Ort wird aber noch viel mehr Geschichte passieren. Die einzelnen Begegnungen mit den Gästen schreiben diese. Es ist ein offener Ort für queere Menschen – derartiges kennt man eigentlich nur aus dem Göttinger Waldschlößchen.
*Namen aus Gründen der Anonymität nicht angegeben